10 Fragen an Kathrin Anselm, General Manager DACH, CEE & CIS bei Airbnb

Kathrin Anselm

“Es findet ein Paradigmenwechsel beim Reisen statt.” – Kathrin Anselm, General Manager DACH, CEE & CIS bei der Buchungsplattform Airbnb, hat auf der diesjährigen ITB in einem Panel Talk über aktuelle Trends und Entwicklungen in der Reisebranche gesprochen. Das folgende Interview fasst die spannendsten Insights zusammen.

Frau Anselm, ist das Reiseverhalten der Menschen wieder auf dem Stand von vor der Pandemie?

Wir sehen eine hohe und aufgestaute Nachfrage nach Reisen, was die Zahlen betrifft – sowohl Städtereisen als auch Auslandsreisen sind wieder im Kommen und erholen sich. Bei gebuchten Übernachtungen in größeren Städten sehen wir hohe Zuwachsraten: 20 Prozent mehr im Vergleich zu Q4 2021. Der Business-Mix unterscheidet sich jedoch weiterhin von den Jahren vor der Pandemie. Denn durch die Pandemie hat sich die Art und Weise, wie Menschen reisen, nachhaltig verändert: Menschen wollen reisen, aber eben oft anders als zuvor.

Inwiefern hat sich die Art und Weise in der Zwischenzeit verändert?

Die Rückkehr der Städtereisen erwähnte ich eben. Gleichzeitig sind ein Fünftel der gebuchten Nächte auf Airbnb in 2022 für Aufenthalte von einem Monat oder länger, sehr viel mehr als im gleichen Zeitraum 2019, vor der Pandemie. Die Menschen bleiben gern länger an einem Ort und machen ihn zum Zuhause auf Zeit. 

Wir sehen eine Diversifizierung und breitere Streuung bei Urlaubstrends. Es zieht viele auch aufs Land. Die Übernachtungen für Aufenthalte in Deutschland auf dem Land in 2022 sind im Vergleich zu 2019 um rund 60 Prozent gestiegen

Viele können derzeit auch aus der Ferne arbeiten – und das führt dazu, dass die Grenzen zwischen Arbeiten, Freizeit und Reisen zunehmend verschwimmen.

Wie zeigen sich diese neuen Bedürfnisse in den Suchanfragen auf Ihrer Plattform?

Die Möglichkeit einer Workation, also Arbeit und Urlaub zu verbinden, bringt auch neue Anforderungen an Unterkünfte mit sich. Zum Beispiel ist schnelles WLAN für viele unerlässlich. Reisende suchen also nach verifizierter WLAN-Geschwindigkeit, Unterkünften mit Küche und Waschmaschine – nach Ausstattungen zum Leben und Arbeiten. Und viele nehmen ihre Haustiere mit. Fun Fact: Fünf Millionen Vierbeiner kamen im Jahr 2022 mit auf Reisen auf Airbnb.

Wie sieht es mit weiteren Reisetrends aus?

Wir sehen, dass unsere Kategorie “Historisches” sich wachsender Beliebtheit erfreut. Menschen sehnen sich nach vielen Monaten der Pandemie-bedingten Entbehrungen danach, individuelle Urlaubserfahrungen zu machen und sich Träume zu erfüllen. Sich wie eine Prinzessin fühlen und in einem Wasserschloss wohnen oder in einem Leuchtturm aufwachen. Gäste können in Klöstern, alten Windmühlen oder umgebauten Kirchen übernachten und das einzigartige Kulturerbe genießen. Circa 70 Prozent solcher Unterkünfte liegen auf dem Land, was ländlichen Gemeinden wirtschaftlich zugutekommt. Im letzten Jahr hat Airbnb deshalb 1,5 Millionen an den Verein Schlösser und Gärten gespendet, um das einzigartige Kulturerbe zu fördern und den Kulturtourismus in ländlichen Regionen zu stärken. Eigentümer:innen und Besitzer:innen historischer Bauten können sich beim Verein Schlösser und Gärten um einen Förderzuschuss in Höhe von 5.000 bis 50.000 € für die Instandhaltung ihrer Kulturdenkmäler bewerben.

Wohin reisen Menschen im Jahr 2023?

Für internationale Reisen liegen bei den Deutschen für dieses Frühjahr unter anderem London, Paris, Amsterdam, Barcelona und Kopenhagen im Trend. Für Inlandsreisen suchen die Deutschen derzeit vor allem nach Bad Staffelstein oder Sylt. Außerdem liegen Solo-Reisen im Trend. Immer mehr Frauen reisen alleine auf Airbnb, wir verzeichnen hier fast 30% mehr gebuchte Nächte in den ersten 3 Quartalen 2022 als im gleichen Zeitraum im Jahr zuvor. Deutschland ist dabei übrigens unter den Top 10 Ziel-Ländern für Solo-Reisende. Wir reagieren darauf, wie Menschen reisen – und passen die Plattform entsprechend ihrer Bedürfnisse an. Zudem setzen wir mit Innovationen auch neue Trends.

Wie sieht das zum Beispiel aus?

Wir haben vor einiger Zeit die Suchfunktion „Ich bin flexibel“ und später “Kategorien” auf Airbnb eingeführt. So müssen Gäste sich nicht auf ein genaues Datum oder einen genauen Ort festlegen und können ihre Reisen noch flexibler planen und Unterkünfte entdecken, die sie sonst nie gefunden hätten. Man kann Orte entdecken, die man vermutlich nie in die Suchleiste getippt hätte. Und tatsächlich zeigen unsere Daten, dass Nutzer:innen dieser Suche eher abseits der Top-Ziele und -Reisezeiten buchen und innerhalb von Städten eher in Außenbezirken übernachten, eine spannende Entwicklung hin zu entzerrtem Reisen.

Wir leben in wirtschaftlich turbulenten Zeiten, die Lebenshaltungskosten steigen. Wie hat sich dies auf Airbnb ausgewirkt?

Mehr als 30 Prozent der Gastgeber:innen auf Airbnb in Deutschland sehen die gelegentliche Vermietung als Möglichkeit, sich etwas dazuzuverdienen. Das kann zum Beispiel so aussehen, dass man ein Zimmer anbietet, wenn das erwachsene Kind ausgeflogen ist. Gerade durch solche Privatzimmer ist Airbnb eine erschwingliche Option für junge Leute. Airbnb wurde gewissermaßen aus einer Krise heraus geboren, als sich die Gründer Brian und Nathan ihre Miete nicht leisten konnten, 2008, inmitten der Weltwirtschaftskrise. Wir sehen eine Nachfrage für die erschwinglicheren Privatzimmer, und im dritten Quartal des letzten Jahres im Vergleich zum gleichen Zeitraum vor der Pandemie ist die Anzahl neu hinzugefügter Privatzimmer um 30 Prozent gewachsen. Und wir sind optimistisch, dass es beim Reisen in Zukunft viel mehr um Freundschaft, Verbindung und das Zusammenbringen von Menschen gehen wird – es kann toll sein, sich eine Unterkunft zu teilen. Gründer Brian ist übrigens inzwischen selbst Gastgeber eines privaten Zimmers in seinem Zuhause auf Airbnb.

Airbnb wird vorgeworfen, Massentourismus in Städten zu befeuern und Wohnraum zu entziehen. Was tun Sie, um dem entgegenzuwirken?

Airbnb arbeitet mit Städten und Regierungen auf der ganzen Welt zusammen, um klare Regeln zu schaffen und Gastgeber:innen zu helfen, ihr Zuhause zu teilen, die Regeln dabei zu befolgen und ihren Steuerverpflichtungen nachzukommen. 

Als aktuelles Beispiel kann ich Berlin aufführen: Seit dem 1. März 2023 ist für alle  Berliner Gastgeber:innen, die ihre Unterkunft für weniger als drei Monate am Stück vermieten wollen, eine Registriernummer oder die Angabe von Kontaktinformationen verpflichtend. Inserate, die diese Anforderungen nicht erfüllen, können nur für Langzeitvermietungen, etwa für Studierende, genutzt werden oder wurden von der Plattform entfernt. Damit ist Airbnb Vorreiter unter den Reiseplattformen. 

Wir wollen einen Beitrag zum Wohnraumschutz leisten und verantwortungsvollen Tourismus in Berlin, und es gleichzeitig Gastgeber:innen ermöglichen, ihr Zuhause mit Gästen zu teilen. Auf diese Weise können Gastgeber:innen in Berlin sich angesichts steigender Lebenshaltungskosten etwas dazuverdienen.

Vor einem Jahr haben sie angekündigt, 100.000 Menschen, die aus der Ukraine geflüchtet sind, zu helfen. Konnten Sie Ihr Ziel erreichen?

Ja, letztes Jahr im September, sechs Monate nach der Ankündigung, haben wir unser Ziel erreicht, 100.000 Geflüchteten aus der Ukraine vorübergehend eine Unterkunft zu ermöglichen. Ein Jahr nach Ausbruch des Konflikts in der Ukraine hat Airbnb.org fast 130.000 Menschen zu kostenlosen Unterkünften verholfen. Dazu haben wir mit vielen humanitären Organisationen zusammengearbeitet und tun dies auch weiterhin. Klar ist, dass dies nur durch unsere unglaubliche Gemeinschaft von Gastgeber:innen möglich gemacht wurde, die ihr Zuhause für Menschen geöffnet haben.

Wo haben Sie Ihren letzten Urlaub verbracht?

Ich war vor Kurzem für 10 Tage Workation in Ericeira an der portugiesischen Atlantikküste und im benachbarten Lissabon. Ich habe also einige Tage von dort aus gearbeitet und auch Urlaub gemacht. Ich hatte eine Unterkunft direkt am Meer, konnte also noch vor dem ersten Arbeits-Meeting am Strand spazieren gehen, in den Pausen Sonne tanken, zum  Feierabend den Sonnenuntergang beobachten und später in der Altstadt die portugiesische Küche erkunden. Seit letztem Jahr ermöglicht Airbnb es mit der Initiative „Weltweit leben und arbeiten“ allen Mitarbeiter:innen weltweit “von unterwegs aus ” zu arbeiten. Ein großes Privileg, da es uns ermöglicht, neue Länder zu entdecken, alleine oder mit unseren Familien im Ausland längere Zeit zu verbringen, den Alltag von Reisezielen außerhalb der touristischen Hochsaison auf authentische Art und Weise zu erleben und natürlich ganz wichtig, mit Einheimischen in Kontakt zu treten.


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