New York ist berühmt für seine besonders charakteristischen und unterschiedlichen Viertel. Von den hellen Lichtern Manhattans bis hin zum weniger bekannten Staten Island hat jeder Stadtteil seinen eigenen Charme. Angesichts dieser beinahe überwältigenden Auswahl, fällt es Besuchern des „Big Apple“ häufig schwer, sich für ein Viertel zu entscheiden. Wen könnte man daher besser um Rat fragen als die deutsche Familie, die im vergangenen Jahr jeden Monat in einer neuen Nachbarschaft verbracht? Seit 12 Monaten lernen sie New York auf eine ganz besondere Weise kennen, auf der Suche nach der für sie perfekten Gegend, die ihr Zuhause werden soll.
Felix Zeltner, Christina Horsten und ihre dreijährige Tochter Emma sind den Großteil des Jahres 2017 von einer Nachbarschaft in die nächste umgezogen: sie mieteten Ferienwohnungen, wohnten zur Zwischenmiete und buchten Unterkünfte, die sie auf Airbnb entdeckt hatten. Während dieser Zeit erlebten sie, wie die Stadt und ihre Bewohner ticken. Jetzt freuen sie sich, uns einige der am besten gehüteten Geheimnisse New Yorks zu verraten und ihre Tipps zu einem erfolgreichen Nomadenleben weiterzugeben.
Wie seid ihr auf die Idee gekommen, jeden Monat umzuziehen?
Nach einer Mieterhöhung in unserem ehemaligen Apartment in Brooklyn kamen wir auf die Idee, ein Jahr lang innerhalb der Stadt zu reisen und so zu versuchen, auf eine etwas andere Art die perfekte Nachbarschaft und die perfekte Wohnung für uns zu finden. Wir wussten, dass das eine verrückte Idee war, aber als uns klar wurde, dass wir uns die Miete tatsächlich nicht mehr leisten konnten, beschlossen wir, es einfach zu versuchen.
„Wir haben allen von unserem Projekt erzählt – unsere Eltern fanden die Idee furchtbar, unsere New Yorker Freunde großartig. Ein Freund sagte schließlich: Ich hab eine Wohnung für euch. Und so ging es los …“ – Christina Horsten.
In welcher Art von Unterkünften habt ihr gewohnt?
Die beste Unterkunft, die wir über Airbnb gefunden haben, war in New Yorks „vergessenem Stadtteil“ Staten Island, nur fünf Gehminuten vom North Shore entfernt. Wenn wir morgens das Haus verließen und den Hügel herunterblickten, über die Holzhäuser auf den New Yorker Hafen, dann sahen wir die orangefarbene Staten Island Ferry und im Hintergrund die glitzernde Skyline. Die Nachbarschaft, St. George, ist sehr vielfältig. Wir fühlten uns wie in San Francisco.
Wie kann man diesen unkonventionellen Lebensstil erfolgreich umsetzen?
Downsizing ist entscheidend. Wir haben die meisten unserer Möbel und Habseligkeiten weggegeben, hauptsächlich an die Läden von Housing Works – eine Second-Hand-Kette, die Menschen mit HIV unterstützt. Das, was übrig blieb, haben wir in der Garage eines Freundes eingelagert. Am Ende hatte jeder von uns noch etwa einen Koffer und Emma eine Kiste für ihr Spielzeug. Es war ein sehr befreiender Schritt und wir waren überrascht, wie wenig wir den ganzen Kram vermisst haben.
Wie kann man sich überhaupt zuhause fühlen, wenn man ständig umzieht?
Komm auf jeden Fall mit den Nachbarn ins Gespräch und lade sie auf einen Drink zu dir ein. Wir haben außerdem in jeder Nachbarschaft ein Dinner organisiert und dazu nicht nur die Leute aus unserem Gebäude eingeladen, sondern auch Menschen, von denen wir gehört hatten.
„New Yorker sind immer wahnsinnig beschäftigt – aber für ein nettes Abendessen und gute Geschichten sind sie trotzdem zu haben. Auf diese Weise haben wir einige unserer besten Tipps für die Nachbarschaft bekommen, aber vor allem haben wir neue Freunde gewonnen“ – Felix Zeltner.
Was sind die Vorteile eures Nomadenlebens?
In jeder neuen Nachbarschaft machen plötzlich die kleinen Dinge wieder Spaß – zum Supermarkt gehen, das beste Café in der Gegend entdecken, die optimale U-Bahn- oder Busverbindung herausfinden, alles ist wieder aufregend. Du bist ständig am Auskundschaften, findest spannende Orte und faszinierende Menschen in deiner eigenen Stadt, von deren Existenz du bislang nichts geahnt hattest.
Gab es auch Nachteile?
Die logistische Herausforderung, zur richtigen Zeit die richtige Wohnung in der richtigen Nachbarschaft zu finden, war hart. Und alle vier Wochen umzuziehen, in Kombination mit zwei Vollzeitjobs, vielen Reisen, der Familie auf einem anderen Kontinent und einem kleinen Kind, das kann dich manchmal in den Wahnsinn treiben. Aber es hat sich gelohnt!
Was war eure Lieblingsgegend?
Wir haben jede einzelne geliebt, aus verschiedenen Gründen. Chinatown und die gesamte Lower East Side sind vermutlich am geheimnisvollsten – eigene Planeten mit Regeln und Sprachen, die wir nicht verstehen. Aber am meisten haben uns Nachbarschaften überrascht, bei denen wir uns nicht sicher waren, ob sie uns gefallen würden: Staten Island, wo wir zweimal am Tag die Fähre nahmen und eine Zen-artige Gelassenheit entwickelten und wo wir von unserem kleinen Haus auf dem Hügel aus die Lichter Manhattans sehen konnten. Oder die South Bronx, wo uns die Nachbarn in den Arm nahmen und die „New York Times“-Zustellerin jeden Morgen an der Haustür klingelte, uns die Zeitung überreichte und ein paar Minuten mit uns plauderte.